Folge 2: 22. Februar 1933
[Listen]
Am 22. Februar 1933 liefern die Gemeinden des Siegkreises, darunter auch Troisdorf, dem Landrat Listen ab, die die Namen und Anschriften von Kommunisten enthalten. Diese Listen sind vier Tage zuvor über den Landrat vom "Höheren Polizeiführer West - Sonderkommissar des Ministers des Innern", Stieler von Heydekampf, angefordert worden. Dieser „Höhere Polizeiführer West“ (HPFW) war von dem neuen NS-Innenminister Hermann Göring - an den verfassungsmässigen Behörden vorbei – in Recklinghausen als eine Art "Oberpolizeipräsident" eingesetzt worden, in unserem Falle für die gesamte Rheinprovinz.
Der HPFW hatte die Landräte um eine Aufstellung "ersucht" mit den Namen der "Führer der K. P. D. [, der] kommunistischen Nebenorganisationen [und] der freien Gewerkschaften. " In seinem Rundschreiben an die Bürgermeister hatte Regierungsassessor Thiel vom Landratsamt ("persönlich! sofort!") diese Aufstellung "binnen 24 Stunden" angefordert: "Ich mache die genaue [. . . ] Aufstellung der Liste zur Pflicht. "
Troisdorfs Bürgermeister Matthias Langen nun gibt seine Liste am 22. Februar ab. Sie enthält für die KPD und ihre Nebenorganisationen insgesamt 14 Namen. Die meisten anderen Städte und Gemeinden haben - wie die Liste für den gesamten Kreis ausweist - entsprechend dem Auftrag, "Führer" zu nennen, gehandelt und einen, zwei oder drei Namen aufgeführt; bei manchen ist ihre Funktion vermerkt, z. B. "Vorsitzender der Ortsgruppe", "Stellvertreter", "Ortsgruppenpolleiter"; davon weicht nur noch Siegburg-Mülldorf ab, dessen Bürgermeister sieben Namen (ohne Funktionen) angibt.
Dieses Missverhältnis (zwei, drei, sieben gegen vierzehn) scheint auch einem späteren Leser - dem Landrat ? - aufgefallen zu sein: In die Akte ist neben den Block der 14 Troisdorfer Namen von Hand ein grosses Fragezeichen gesetzt worden.
Bürgermeister Langen hat das Rundschreiben nicht genau genug gelesen. So nennt er auch noch Hans Götz, Kirchstrasse 1, mit dem Zusatz "zur Zeit flüchtig". Hans Götz ist zu diesem Zeitpunkt tatsächlich schon in der Sowjetunion.
In dem Rundschreiben des HPFW ist aber auch nach "Decknamen" und "gegebenenfalls Ausweichquartiere[n]" gefragt worden: Informationen, die - auch für einen Laien durchschaubar - eindeutig Fahndungszwecken dienen. Durch seine Nachlässigkeit (oder seinen Übereifer) liefert Langen nicht nur die "Führer", sondern zahlreiche weitere Troisdorfer KPD-Mitglieder den Nazis ans Messer.
Dass diese Listen kein Spielmaterial sind, sondern mit Bedacht vorbereitete Fahndungslisten, zeigt sich nach dem Brand des Reichstagesgebäudes am 27. Februar, als im ganzen Reich Jagd auf Kommunisten und Sozialdemokraten gemacht wird: Von den 13 Troisdorfer Kommunisten werden 7 verhaftet, 6 in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März, einer am Abend des 1. März:
Bruno Fr.
Hermann H.
Wilhelm Kn.
Karl Kr.
Johann Lo.
Paul M.
Gottfried Ra.
Ihre Verhaftungen werden sämtlich vom Landrat telefonisch angeordnet, ebenso ihre Einweisung in das Siegburger Gefängnis an der Luisenstrasse 90. Eine zweite Gruppe von KPD-Mitgliedern wird nach der Gemeindewahl vom 12. März festgenommen und eingeliefert:
Konrad F.
Adolf R.
Christian R.
Matthias S.
Paul S.
Dagegen nimmt sich die Liste der verhafteten SPD- bzw. Reichsbannermitglieder mit sechs Personen recht bescheiden aus; sie werden alle am 13. März, an dem Montag nach der Gemeindewahl, verhaftet:
Johann B. (FWH)
Josef K.
Karl Ku.
Johann M.
Matthias O.
Hermann S.
Noch ein paar Zahlen:
42 Männer und Frauen aus Troisdorf, Altenrath, Friedrich-Wilhelms-Hütte sind in Haft gewesen,
167 Kommunisten und Sozialdemokraten sind im März 1933 im Gefängnis Siegburg,
3. 324 Kommunisten sind in Haft in den Regierungsbezirken Koblenz, Köln, Aachen, Trier, Düsseldorf,
ca. 25. 000 politische Häftlinge in Preussen,
3. 818 Schutzhäftlinge im Regierungsbezirk Düsseldorf im März/ April 1933,
340 politische Häftlinge im Kölner Klingelpütz am 1. April.