Folge 4: 9.März 1933
[jüdische Geschäfte]
Die Juden sind neben den Kommunisten und Sozialdemokraten die zweite Bevölkerungsgruppe, denen die Nazis schon vor 1933 und deutlich genug den Kampf angesagt haben. Auch bei ihnen warten die Nazis nicht lange mit den ersten Aktionen. Bereits im März 1933 starten sie den sogenannten "Juden-Boykott": SA-Männer ziehen mit Schildern vor jüdischen Geschäften auf und warnen die Passanten: "Deutsche, wehrt euch! Kauft nicht bei Juden!"
So auch in Troisdorf vor den Geschäften "Ehape" und "Hollandia" an der Kölnerstrasse. Das geschieht am 9.März, schon drei Wochen vor dem reichsweit propagierten "Boykott"-Tag des 1. April.
Bürgermeister Langen als Chef der Ortspolizeibehörde wird an diesem Donnerstag Nachmittag von den Geschäftsleuten alarmiert; er verbietet auch den SA-Leuten jegliche "Geschäfts- und Verkehrsstörung", hat damit aber keinen Erfolg - im Gegenteil: Am Tag darauf, kurz vor 12 Uhr,
„erschienen vor den oben genannten Geschäften eine Anzahl SS.- und SA.-Leute von auswärts, anscheinend von Siegburg, und verboten den Geschäftsinhabern den weiteren Verkauf. Die Geschäfte wurden geschlossen und auf die Fenster die Aufschrift gesetzt: "Von der SS. geschlossen".“
Weder die dort postierten Polizisten, denen gesagt wird, das sei eine Massnahme der Kölner Gauleitung der NSDAP, noch der Bürgermeister, der inzwischen erfahren hat, dass in Nachbargemeinden das gleiche passiert ist, sehen sich imstande, diesen Gewaltakt zu verhindern oder rückgängig zu machen. Vielmehr meldet Langen dem Landrat am Freitag, dem 10.März, abends: „Zur Vermeidung unzweckmässiger Weiterungen [habe ich] von polizeilichen Massnahmen Abstand genommen.“ Armseliger kann der oberste kommunale Beamte seine Kapitulation vor der braunen Gewalt nicht ausdrücken.
Die gewaltsam geschlossenen Geschäfte öffnen zwar am Freitag gegen 18 Uhr, nachdem die SA abgezogen ist, noch einmal kurz; aber am Samstag ist die SA um 8 Uhr wieder zur Stelle, verfügt wieder die Schliessung und überwacht anschliessend die Einhaltung dieser Massnahme.
Dabei konnten sich die SA-Leute eines Sinnes wissen mit dem neuen Innenminister und damit Chef der Polizei von Preussen, Göring; am Abend desselben 11.März sagt Göring in Essen:
„Ich habe erst angefangen zu säubern, es ist noch längst nicht fertig [...]. Wenn sie sagen, die Bevölkerung ist in furchtbarer Erregung, weil jüdische Warenhäuser vorübergehend geschlossen waren, so frage ich: Ist es nicht natürlich, wenn wir Deutsche endlich erklären: Kauft nicht bei Juden, sondern beim deutschen Volk. Ich werde die Polizei rücksichtslos einsetzen, wo man das deutsche Volk zu schädigen weiss. Aber ich lehne es ab, dass die Polizei eine Schutztruppe jüdischer Warenhäuser ist. Es muss endlich einmal der Unfug aufhören, dass jeder Gauner nach der Polizei schreit. Die Polizei ist nicht dazu da, die Gauner, Strolche, Wucherer und Verräter zu schützen. Wenn sie sagen, da und dort sei einer abgeholt und misshandelt worden, so kann man nur erwidern: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wir haben jahrelang die Abrechnung mit den Verrätern angekündigt.“