Folge 5: 12. März 1933
[Gemeidnewahl]
Welcher Geist nach dem 30. Januar durch das Troisdorfer Rathaus wehen soll, führen die Nazis nach der Reichstagswahl (5. März), aber noch vor der Gemeindewahl (12. März) allen Mitbürgern deutlich sichtbar vor Augen: Am 7. März hissen sie vormittags - angeblich auf höhere Anordnung - auf dem Rathaus an der Poststrasse die Hakenkreuzfahne: Juristisch und protokollarisch ist es (noch) ein Unding, eine Parteifahne auf einem öffentlichen Gebäude hochzuziehen. Freilich sind die Troisdorfer Nazis nicht die einzigen, die das tun; solches ist aus anderen Orten auch überliefert, z. B. aus Bad Godesberg. Sie tun auch nur das, worum der neue preussische Innenminister Hermann Göring scheinheilig gebeten hat:
„In der Freude über den ausserordentlichen Wahlerfolg [bei den Reichstagswahlen] hat die Bevölkerung vieler Orte das Hissen der Hakenkreuzfahne auf staatlichen und kommunalen Dienstgebäuden gefordert und durchgesetzt. Ich bitte, dieser verständlichen Volksstimmung in den nächsten Tagen Rechnung zu tragen. “
Der Bürgermeister von Bad Godesberg, Zander, allerdings hat noch am 27. Februar die auf der Godesburg aufgezogene Fahne entfernen lassen und Strafantrag gegen die Godesberger NSDAP wegen Hausfriedensbruch gestellt. Aus Troisdorf ist vergleichbarer Widerstand nicht überliefert.
Wahl Gemeinderat 12. 3. 33 |
Stimmen |
Zentrum |
1617 |
SPD |
425 |
KPD |
199 |
NSDAP |
1146 |
Gemeinn. Interessengemeinschaft |
1048 |
andere |
290 |
Hakenkreuzfahne hin - Hakenkreuzfahne her: Die Gemeindewahl am 12. März bringt den Nazis in Troisdorf einen schönen Erfolg: Sie sind jetzt zum ersten Mal im Gemeinderat vertreten, und zwar mit fünf Gemeindeverordneten (GV):
Nikolaus Ihrlich
Wilhelm Pütz
Peter Reinartz
Arthur Schellberg
Peter Steinmetz
Damit stellen sie nach dem Zentrum (8 GV) und mit der "Gemeinnützigen Interessengemeinschaft", hinter der sich der Haus- und Grundbesitzerverein verbirgt, die zweitstärkste Fraktion. Aber bezogen auf die Reichstagswahl vom Sonntag zuvor haben die Nazis - wie andere Parteien auch - beträchtlich an Stimmen verloren: Von 1. 663 (Reichstag) ist das Stimmenaufkommen auf 1. 146 (Gemeinde) gesunken. Und von den 22 Sitzen des Gemeinderates stellt die NSDAP mit ihren 5 keineswegs eine irgendwie beeindruckende Mehrheit dar. Wie im Reichstag auf die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und das Zentrum, so sind die Nazis auch im Troisdorfer Gemeinderat auf den guten Willen der ansonsten so verhassten Parteien der "Weimarer Systemzeit", vor allem des Zentrums, der Partei des politischen Katholizismus, angewiesen.
Die Linke, im Gemeinderat mit drei Sitzen vertreten (Odenthal und Schneider, SPD; Saal, KPD), kann schon nicht mehr mitreden, weil diese drei am Tag nach der Wahl, am 13. März, verhaftet werden. An der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates am 4. April sind sie nicht beteiligt: Odenthal wird erst am 8. April entlassen; Saal, bereits am 30. März entlassen, darf nach einem besonderen Runderlass des preussischen Innenministers vom 20. März nicht mehr an der Sitzung teilnehmen, da alle Vertreter der KPD „sämtlich unter dem Verdacht des Hochverrats stehen. Ihre Ladung hat daher zu unterbleiben. “ Saal verzichtet am 2. April auf die Wahrnehmung seines Mandats; Schneider ist "abwesend m[it] E[ntschuldigung]".
Zur Mitglieder- oder gar Wählerstruktur der Troisdorfer NSDAP im Frühjahr 1933 kann nicht viel Definitives gesagt werden, weil die Quellenbasis schmal ist: Überliefert sind die Kandidatenlisten zur Gemeindewahl und die Wahlergebnisse für den Reichstag und den Gemeinderat. In der Kandidatenliste überwiegen die "bürgerlichen" Berufe (10 von 16), 6 Kandidaten sind als "Arbeiter" zu betrachten (4 Schlosser, 1 Elektriker, 1 Kraftfahrer). Die 10 "Bürgerlichen" setzen sich zusammen aus 4 kaufmännischen Angestellten, 1 Ingenieur, 1 Landwirt, 1 Gastwirt, 1 Treuhänder, 1 Reichsbahn-Betriebsassistent, 1 Buchhalter.
Damit fällt die Troisdorfer Zusammensetzung noch nicht aus dem allgemein bekannten Rahmen: Die NSDAP war die "gewaltige Sammelpartei der Mittelschichten" , die Partei des radikalisierten und furchtsamen Kleinbürgertums. Die "guten" Bürgerlichen (Lehrer, Ärzte, Fabrikanten) waren im Zentrum oder - wenn sie "nationaler" dachten - im "Nationalen Block".