Folge 6: 4.April 1933
[Gemeinderat]
Die NSDAP hatte also am 12. März 1933 bei den Gemeinderatswahlen in (Alt-) Troisdorf 1.146 Stimmen und damit 5 Sitze im Gemeinderat errungen. Beeindruckend war das Ergebnis nicht: Das Zentrum, die Partei des politischen Katholizismus, lag mit 1.617 Stimmen und 8 Sitzen immer noch weit vorn, und die „Gemeinnützige Interessengemeinschaft“ lag mit 1.048 Stimmen und 5 Sitzen gleichauf. SPD (3 Sitze) und KPD (1 Sitz) waren weit abgeschlagen.
Umso verblüffender ist, wie schnell die NSDAP die politische Vertretung in die Hand bekam. Das fing schon an mit der Einladung zur konstituierenden Sitzung des neuen Gemeinderates. Dazu wurden zwei Einladungen des Bürgermeisters Matthias Langen in den Zeitungen veröffentlicht: eine am 27. März und eine am 1. April. Die erste war der Standard-Text zu einer Standard-Veranstaltung, der zweite war eine Einladung zu einer „nationalen Kundgebung“, die nur noch „verbunden ist mit kurzer Gemeinderatssitzung“.
Und diese Kundgebung findet nicht statt im Rathaus an der Poststrasse,
sondern im Saal des NSDAP-Mitgliedes Thiesen, ebenfalls in der Poststrasse.
Und dieser Saal ist festlich hergerichtet mit den Fahnen in Schwarz-Weiss-Rot, des Stahlhelm und vier Hakenkreuzfahnen. Im Stadtarchiv Troisdorf sind Photos erhalten, die ein unbekannter Photograph damals aufgenommen hat. Und in drei Zeitungen gibt es ausführliche Berichte über diese Gemeinderatssitzung, die eine Zeitung eine „Weihestunde“ nennt.
Demnach marschiert die NS-Prominenz auf: Kreisleiter, stellvertretender Kreisleiter, der Siegburger Staatskommissar, der Leiter des Finanzamtes, der Troisdorfer Staatskommissar.
Der Männergesangverein Cäcilia singt („Wo die alten Eichen rauschen“), die Musikkappellen des Stahlhelm und der SA spielen Musikstücke aus alter Zeit und das Deutschland-Lied.
Im Saal und auf der Bühne sitzen Vertreter der Geistlichkeit, der Behörden, Vereine und natürlich Schulkinder und Bürger.
Eröffnet wird die Gemeinderatssitzung nicht von Bürgermeister Langen, sondern von NSDAP-Staatskommissar Naas, der alle herzlich begrüsst und der Gefallenen des Weltkrieges gedenkt – wozu eigentlich?
Langen nimmt dann die Verpflichtung der anwesenden 18 Gemeindeverordneten vor – die 4 Vertreter der SPD und KPD sind zu diesem Zeitpunkt noch in der sogenannten „Schutzhaft“. Zu Beigeordneten werden u.a. Peter Steinmetz (NSDAP), Amandus Hagen, Dr. Carl Mannstaedt und Franz Braschoss gewählt.
Und mit dem Standard-Antrag, sowohl dem Reichspräsidenten als auch dem Reichskanzler die Ehrenbürgerschaft anzubieten, bringt die NSDAP-Fraktion das Zentrum dazu, der Unterwerfungsadresse an den Nazi-Kanzler ihre Zustimmung zu geben – ein plumper Trick, der überall in Deutschland damals gezogen hat. Niemand will – oder kann - dem hochverehrten Herrn Reichspräsidenten, dem Sieger von Tannenberg, Paul von Hindenburg diese Ehrerbietung verweigern. Im März 1932 haben doch die meisten der hier Anwesenden – angefangen bei Bürgermeister Langen bis zum Rentner Taube – die Kandidatur Hindenburgs zum Reichspräsidenten gegen Hitler öffentlich unterstützt.
Bürgermeister Langen (Zentrum) befürwortet ausdrücklich diesen Antrag. Dass jemand gewünscht hätte, den Antrag in zwei Anträge aufzuspalten, über die man dann unterschiedlich hätte abstimmen können, ist nicht überliefert – weder hier noch anderswo.
Bürgermeister Langen „gab ferner bekannt“, dass u.a. die Poststrasse in „Adolf-Hitler-Strasse“ und die Friedrich-Ebert-Strasse in „Claus-Clemens-Strasse“ umbenannt worden seien. Clemens war ein junger Nazi, der vor 1933 bei einer Strassenschlacht in Bonn erschossen worden war; er hatte eine Zeit lang in dieser Strasse gewohnt.
Langen „betonte die Bereitwilligkeit, in Einigkeit mitzuarbeiten am Wiederaufbau unseres Vaterlandes. Dann forderte er die Wiederherstellung der Selbstverwaltung und das Wiederkehren von Sauberkeit und Gerechtigkeit in den einzelnen Verwaltungen.“ Was sich hinter diesen verquasten Formulierungen verbirgt, wird wohl das Geheimnis des Reporters des „Westdeutschen Beobachters“, der Nazi-Zeitung, bleiben.
Klarer wird es wieder, als er schreibt, dass Langen „ein dreifaches Heil auf diese Führer unseres Volkes“ ausbrachte. Ihm steckt wahrscheinlich noch der Schrecken in den Knochen, war er doch drei Wochen vorher für 4 Tage vorübergehend aus dem Amt gejagt worden.
Ebenso unmissverständlich spricht der Fraktionsvorsitzende des Zentrums, Dr. Wilhelm Hamacher: Er erklärte, „an dem Aufbau tatkräftig mitzuarbeiten und alles Gewesene zu vergessen. Zur Bekräftigung seiner Worte bot er den anderen Fraktionsführern seine Rechte, welches dankbar anerkannt wurde.“
Der Rentner Felix Taube von der "Gemeinnützigen Interessengemeinschaft" jubelt, dass die "marxistische Herrschaft endlich gebrochen sei" - als ob in Troisdorf die SPD und die KPD jemals "geherrscht" hätten! Aber er hat ja auch das Reich im Sinn, das Vaterland, die Nation ...
Den Anträgen der NSDAP (Ehrenbürgerschaften, Strassennamen) wird "einstimmig" und "freudig" zugestimmt. Heisst das: Mit den Stimmen des Zentrums? Haben sich Dr. Hamacher und seine Fraktion beim Antrag der Ehrenbürgerschaften durch den Namen "Hindenburg" von den Nazis hereinlegen lassen? Haben sie den ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) symbolisch geopfert gegen irgendeinen NS-Märtyrer? Der „Westdeutsche Beobachter“ lügt nicht, als er schreibt, dass Hamacher "die prinzipielle Bereitschaft zur tätigen Mitarbeit" erkennen lasse, der Stadt-Anzeiger berichtet ebenso. Auch das offizielle Protokoll formuliert:
Namens der Zentrumsfraktion sprach Herr Dr. Hamacher. Er betonte, dass die Zentrumsfraktion gewillt und bereit sei, mit den übrigen Fraktionen zusammen zu arbeiten, und bot allen Parteiführern die Hand .
Ohne auch nur den Anschein von Widerstand zu erwecken, lassen die bürgerlichen Parteien die Republik fallen. Vielleicht erhoffen sich Hamacher und seine Freunde aus ihrem "Nicht-Dagegen-Sein" irgendwelche Freiräume. Wenn man sagt, "Weimar" sei eine "Republik ohne Republikaner" gewesen, so sind damit auch die bürgerlichen Umfaller gemeint .
Meinungsverschiedenheiten hat es im Troisdorfer Zentrum vielleicht doch gegeben: Am 11.Mai treten Alois Müller und Dr. Forsbach von ihren Mandaten zurück; für sie rücken Franz Broermann und W. Lohmar nach - solange, bis auch die restlichen Parteien verboten werden (Juni/Juli 1933). Am folgenden Tag wird Langen endgültig vom Dienst suspendiert, obwohl er noch schnell am 1. Mai vom Zentrum in die NSDAP übergetreten ist.
Bei der dritten Sitzung des Gemeinderates am 21.Juni 1933 haben sich die Reihen weiter gelichtet: Schneider und Udert (SPD) haben ihr Mandat niedergelegt - niederlegen müssen: Auch sie werden den Brief des Landrats erhalten haben, in dem ihnen "aufgegeben" worden ist, sich der weiteren Ausübung ihres Mandats zu "enthalten" . Von dem (NS-)Beigeordneten Steinmetz werden die neuen Zentrumsmitglieder Lohmar und Broermann darauf "aufmerksam [gemacht], dass sie ihr Amt im Sinne des Nationalsozialismus auszuüben haben."
Tags darauf wird die SPD im ganzen Reich verboten , am 6.Juli löst Brüning das Zentrum auf ; am 14.Juli werden mit dem "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien" alle Parteien - ausser der NSDAP natürlich - verboten.
In der vierten Gemeinderatssitzung am 30.Juni 1933 verkündet der neue Bürgermeister Peter Josef Reinartz stolz, er sei nicht gewählt, sondern "mit dem Willen unseres Volkskanzlers Hitler an die erste Stelle der Troisdorfer Gemeinde berufen worden." Und selbst jetzt noch - Ende Juni 1933 ! - gibt Dr. Hamacher für das Zentrum "die Erklärung loyaler Mitarbeit ab": Die sieht dann so aus, dass er "wünscht, dass die Kirchstrasse ihrer Bedeutung wegen bei der Herrichtung asphaltiert werde." Dr. Hamacher wohnt in der Kirchstrasse Nr.39.