1597 Der Bonner Gastwirt Holtz fordert Wiedergutmachung

»Ein Aktenstück aus der Zeit der Truchsessischen Wirren« [1584]1
[Pick 1873:] Ein Bürger von Bonn, Dietrich Holtz2, Wirth zum Grünen Wald3, ist bei dem Kurfürsten Ernst von Köln Truchseßischer4 Umtriebe angeklagt worden und wird am 4. Oktober 1586 seiner Güter verlustig erklärt, weil er, wie es in dem Strafedict des Kurfürsten heißt,

bey dieser durch den billigst entsetzten Trucksessen angesponnen Unwesen unnd kriegsemporungen sich hiebevorn gegen uns unnd unsern Erzstifft gantz ungehorsamb uffgeleinet, widersetzt unnd dem feindt zu seim verbotnen straffmessigen beginen, thadthandlungen unnd bevorab langkwiriger gantz verderbligen vorenthaltungh unser Statt Bonn beigepflichtet unnd anhengich gemacht habe.

Holtz entfernte sich von Bonn und ging nach Köln, von wo aus er alle Anstrengungen zur Wiedererlangung seiner Besitzungen machte. Ueber diese Angelegenheit handelt ein umfangreiches Actenfascikel im Archiv zu Idstein5. Das Hauptactenstück ist ein Bittgesuch des Holtz {ohne Datum, aber sicherlich aus dem Jahre 1597} an den Grafen Johann6 den Aelteren von Nassau, der die Restitution seiner Güter bei dem Kurfürsten von Köln erwirken soll. Aus den Schriftstücken geht nicht hervor, ob Holtz wieder in den Besitz seines Eigenthums gelangt ist. Unter dem 20. November 1597 verspricht ihm Johann der Aeltere {das Schreiben ist eigenhändig und Concept}, seine Sache energisch betreiben zu wollen. Das Bittgesuch7 wirft auf die Bonner Verhältnisse während der Belagerung von 1583 bis 1584 ein interessantes Licht und ist darum des Abdruckes werth. Ich verdanke seine Mittheilung der Güte des Herrn Archivar Dr. Hegert zu Idstein.

 

Wolgeborner Graff E[uer] G[naden] seien meine underthenig schuldig und gehorsame Dienst jede Zeit eußersten fleißes zuvorn, gnädiger Herr.

0. In was beschwärlichen unfall, höchste betrubnus, ja endliches verderben und armut Ich {leider} im jahr [15]84 nach wider einnemung der statt Bon mit meiner lieben hausfrauen seligen und unsern zusamen gezeugten noch lebenden dreien <258> söhnen gerahten, auch biß daher gestanden, haben E. G. vor diesem zu theill von mir selbst mündlich, sonst auch auß dem landkundigen geschrey ohne zweiffell gnedig vernommen.

Wan nun, gnediger Herr, biß noch zu über mein und meiner lieben Hausfrawen seligen vielseitig underthenigst supplicirn, über unser beider diemutigst flehen, bitten und erpieten auch über Churfürstlich cölnischen gnedigst versiegelten und underschriebenen receß und der Churfürstlich cölnischen hochweiser Herrn rähtte ernste befelchen, dannah ich und meine liebe hausfraw seligen folgendts und jetzo unserer beider eheliche söhne bei ihren elterlichen guttern nicht können noch mögen geruwiglich gelaßen werden, sondern erstlich Carolus Bilaeus8 und Hieronymus Michaëlis9, darnach Laurentius Grimaldo und jetzo in newlichkeit Gilbertt Helmichs, Bürger zu Bon, unser aller unerhörtt darzu unberuffen ohne einige gegebene ursach derselben eigenthumbs meine arme kinder de facto und thattlich zu priviren und hingegen sich selbst anzumassen und zu zueignen understanden.

Hierumb bin ich höchlich getrungen, E. G. dieser gantzen sachen verlauff hiebei kurtz doch umbstendlich und wahrhafftig in underthenigkeit vorzubrengen dero tröstlicher hoffnung und zuversicht, E. G. werden solches in keinen Ungnaden vermercken, sonder dardurch {sonderlich dweill auch meine liebe Voreltern auß E. G. Graffschaft geboren} bewegt werden, mit mir hochbetrubten armen man und kindern ein christlichs gnediges mitleiden zu haben und zu tragen.

1. Anfenglich sobaldt daß hochschädlich kriegswesen in diesem Ertzstifft sich erhoben und angesponnen, hatt die samptliche burgerschafft zu Bon von einem hoch und ehrwürdigen thumbcapittul alhie in Cölln gnedige resolution begeren laßen, weßen sie sich bei eingefallenem zustandt zu verhalten; darauff ihnen befohlen, Truchseßen dero zeit churfursten vor ihren herrn zu erkennen und demselben allen wilfährigen gehorsam zu leisten, allermaßen auß den documentis, so noch auff heuttige stund bei einem erbarn rahtt zu Bon in originali vorhanden, erweißlich.

Alß nun höchstgemelter churfürstlich truchsäß sich der statt Bon in geschwinder eill bemechtigt und mit kriegsvolck starck besetzen lassen, haben die burger und under denselben ich nach empfangenen befelch nicht wieniger thun sollen, dem gehorsamen, bevorab da man uns sonsten ohne das durch der Soldaten gewalt dahin leichtlich zwingen können.

Hab gleichwoll nachgehendts vor meine Person offtermalln gelegenheit gesucht auß der statt an andere örtter zu fliehen, wie ich dan auch meine söhne und dienstmägdt ein gantz jahr vor der belegerung hiehin auff Cölln außgeschickt {in Meinung denselben zu folgen}, bin aber jedesmall wegen allerhandt beschwernus daran verhindert.

2. In betrachtung alßpaldt im anfang höchstgemelten Churfürstlichen Truchseßen Tischjunckern mit ihren dienern und Pferden bei mir zur herberg eingekehrt und nit ein geringes verzert.

Wie im gleichen zu underschiedlichen malln beider Churfürsten Mentz und Trier abgesandte, auch der graff von Newenar, der graff von Oberstein, Caspar von Heigen und sonsten Truchsesische reutter und kriegsvolck und allerhand andere Personen mehr {vor welcher zalung Herr Carll10 etc. jede zeit gesprochen} zu mir heuffig eingezogen, dapfer gezechet und gezeret. Ohngeachtet ich offtmals mit angebung meiner <259> großen angelegenheit darvor gebettelt, aber bei ge[meltem] Herr Carlln nichts verfangen können noch mögen.

3. Dan jedesmall, wen Ich umb meine bezalung angehalten oder urlaub außzuweichen gebelten, bin ich abgewiesen und hartt betrewet, wafern ohne Herrn Carls wißen und willen außriße, wurden die Soldaten mein Hauß dergestalt zurichten, daß ich nichts darin behalten, ja also verwusten, ich die tag meines lebens daran gedencken soltte. In maßen dieselbe schon an meinem hauß die glaßfenster haben außgeschlagen, mein fleisch, wein und anders mir abgenommen und darneben viel mutwillens getrieben.

Sonderlich aber hat meine liebe Mutter {so eine alte, lame, unvermögende fraw gewesen, die sich selbst weder auß- noch anziehen können und allererst den 24 Novemb. a[nn]o x83 in werender Belagerung gestorben} mit ihrem vielfeltigen pitten und weinen mir höchlich angelegen, ich sollte sie doch in ihrem hohen alterthumb und großer unvermögenheit bei dem Zustandt nicht verlaßen.

Ueber dieß alles ist meine liebe hausfraw selig mit dem bandt der naturen gebunden gewesen und eben der zeit alß etliche außgezogen {wie solchs nachbarkundig} eines kindts ingelegen.

Hierauß meines verhoffens mehr dan gnugsamb erscheinet, daß ich wider meinen willen zu meinem großen nachtheill und schaden die belegerung über außdauern und verpleiben mußen.

Folgents sind die Gysler [=Geiseln], so wegen einreumung der statt hineinkommen, bei mir zur herberg gelegen, die ich zum zweitenmall neben andern soldaten in der 60 und mehr Personen mit kost und tranck tag und nacht verpflegen mußen, darauff ein mercklichs gangen. Und ob woll der hauptmann Geißberger wegen jetzigen Churfursten solches alles zu zalen bei wahren wortten, glauben und trawen festiglich versprochen, ist doch mir biß auff heuttige stundt kein eintziger Heller darvor entrichtet.

4. Nach eroberung der statt, alß I[hre] Churf[ürstliche] Gnaden mein gnedigster Herr den burgern, welcher der belegerung in Bon ausgeharret, 4,000 Cronen zur Rantzion aufflegen laßen, hab ich an berurter Summen meine quotam auf eines erbarn raths befelch gleich andern erstatten mußen, ohnerwogen Gilles von Heinßbeck, welcher sich der Attelleri angenommen, mit seinem gesindt, weib und kindern in die 20 Personen starck bei mir zur herberg eingekehrt, dem damals mehr andere zugefallen, so alle frey gezehret, aber durchauß nichts zalen wollen.

Diesem ist gleich I. Churf. G. damals gewesener general Profoß, Hieronymus Michaelis, gefolget, den ich über die 15 Wochen mit seinen dienern, Weib und kindern in kost und tranck, auch seine pferdt so lang ich darvor fuder gehabt und erhalten {will großer gestereien geschweigen, die er vor und nach in meinem Hauß gehalten} darzu alle gefangene uffm zoll und im Stockhauß mit wein, brodt, eßig und saltz versehen, denselben mit dienen, kochen und darneben alle Capiteinen, so vom zolhauß in den grunen waldt gefuhret, mit speis und tranck verpflegen mußen. Welchs g. Hironymus Michaelis I. Ch. G. angerechnet und von der selben, wie gleichfals von de Capiteinen und andern gefangnen, was sie bei mir verzert, gutt bezalung bekomen, mir aber den geringsten Pfenning darvor niemals geben noch zugestalt. <260 > Also daß ich in diesem Krieg bei jetzerzelten posten allein mehr dan 2,000 thaler kundlichcn schadens erlitten habe.

5. Inmittels die zeit über ich obverlautter gestalt wider meinen willen binnen Bon verharren mußen, kan kein lebendiger mensch mit warheit sagen, daß ich vor, in oder nach der belegerung mich einiges Truchsischen kriegswesens theilhaftig gemacht habe, vielweniger soll in ewigkeit auf mich erwiesen werden, daß ich die tag meines lebens ihtwas begangen, dadurch ich leib oder gutt verwircken können.

Dan ich bezeuge vor Gott {der die höchste warheit} und aller welt bei meiner seelen seligkeit und letzten hinfahrt, daß ich {wie mir doch von meinem widerwertigen felschlich zugelegt wirdt} keiner kirchen und geistlicher gutter genoßen, noch einigerlei weiß an mich bracht oder zu brengen begert habe, imgleichen daß ich zu abbrechung und verbrenung der umbliegenden stifft und clöster, item verwüstung S. Cassii kirchen in Bon, der geistlichen und Bürgerhäußer, keinen rahtt noch thatt geben, sondern verschonen helffen, auch niemals bei einigem rahtschlag gewesen, oder darzu vom kriegsrahtt erfordert worden.

Hingegen ist vielmehr wahr und landkundig, daß ich dero Zeit, wie zu offtermalln allerhandt gefangne, geistlich und weltlichen standts, Bürger und bawren dieses ertzstiffts Cölln auch Gulich und Bergische Underthanen gehn bon inbracht in Statthäußer und schwere gefengnus gelegtt worden, mich derselben auß christlichem mitleiden angenommen, sie gespeiset und getrencket, vor sie gebetten und der hartten gefengnus viel ohne einige Rantzion erlediget habe.

In maßen dan auch alß dermahlln eins durch den Kriegsraht beschloßen gewesen {wie ich heimblich in erfahrung bracht} daß alle dörffer ein meil Wegs oder drey umb Bon her, sonderlich die vier dingstull {davon I. CH. G. jährlichs den besten wein auffheben laßen} abgebrandt, gleichfals alle weingartten, hecken, zäun und plancketten einer Mußketenschuß weit rings umb die statt her, ab- und niedergerißen werden sollten, ich ohne ruhm zu melden, so viel und lang ohne underlaß gebetten, daß solches verblieben, deßen folgendts alß I. Churf. G. mit ihrem Kriegsvolck sich der statt Bon genähert, ich mannigmall von den Capiteinen befelchshabern und soldaten verwiß hören mußen, auch der Ursachen halben in gefahr meines lebens gestanden.

Daß ich also mit meinem verbleiben binnen Bon niemandt vernachtheilet, sondern I. Churf. G. zuvorderst darneben vielen burgern, benachparten und sonsten andern gefangenen mercklichen nutz geschafft habe.

Dannoch haben meine widerwertige {allein damit sie mit meim und meiner lieben Hausfrawen armutlein sich bereichen mögten} so viel erworben und zu wegenbracht, daß ich im jahr 84 nach eroberung der statt Bon auf dern falsche und erdichte bezichtiguug gefenglich angenommen, in das stockhauß gelegt, auch daselbst und uff dem zolhauß mit unseglicher beschwernus verhalten worden. Aber alle, die mit mir gefangen gewesen und über mein thun und laßen scharpf underfragt worden, haben wie mehr andere mich durchauß entschuldigt, dern auch theils daruff gestorben und den todt gelitten.

So haben nach fleißig gehabter Inquisition die Churf. hochweise Herrn rähtte, so bei der examination gewesen, mich in offenbarer unschuldt befunden und dahero aller aufflagen frey, loß und ledig gesprochen, beruff mich dieserhalb ungeschewt <261> auff wolermelter Herrn rähtte {die noch mehrntheils im leben} Protocol und dern gethane relationes dan auch des burgermeisters zu Von Hulßmans causae notarii hiebei gefügte eidliche attestation.

6. Gleichwoll dieser meiner scheinbarer unschuldt unerwogen, ist nit desto wieniger Wilhelm von Hantzeler11 dero zeit Bluttrayt zugefahren und hatt ein ganz nichtig bluttdurstig urtheill den 16. Maii ao. x84 wider mich gefellet und mit eigener Hand underschrieben, alß solt ich der keyserlicher abmanung nicht gehorsamet, meinen Burgereidt und der landts Vereinigung zuwider gegen I. Churf. G. meinen gnedigsten Herrn und dern ertzstifft mich uffgelehnet und Truchseßen Parthei gehalten haben und solcher und ander uberfahrung halben höchstgedachter I. Churf. G. mit leib und gutt verfallen sein, mit dem anhang, der General-Profoß Hieronymus Michaelis die wurckliche execution wider meine Person und der fiscus gegen meine gutter thun solten gestalt auß beigelegter copei mit B.12 notirt zu sehen und mit dem Originali, so noch vorhanden, kan und soll besterckt werden.

Da ich doch, wie oben vermeldt, von wolgedachten Churf. hochweisen herrn Rähtten nach fleißig über mich gehaltener Inquisition aller wider mich eingestelter Aufflagen frei und ledig erkant, ehe und zuvorn solch barbarisch blutt wider mich ergangen ist.

7. Zum andern hab ich umb so viel wieniger den keiserlichen Mandaten und Abmanungen widerstrebet, dweill dieselbe nicht auff die burger und mich, sondern die obrigkeit und Soldaten dirigirt und gerichtet gewesen {wie mit I. Churf. eigener Hand und siegel darneben den intruck öffentlich außgangenen Patenten und Paßportten beweislich} unser burger keinem auch jemalln durch den keiserlichen Heroldt insinnirt worden.

8. Zum dritten hab ich bei meinem eidt behalten, daß ich die Landtvereinigung niemalln selbst gelesen oder von andern gehört habe, hielte auch in meiner geringer einfalt es darvor, daß solche Chur- und landtsfursten nicht Privatpersonen betreffen und angehen thätten.

9. Zum vierdten hab ich alweg und noch flehentlich gebetten, man wolle den gemeinen keyserlichen rechten haltzgerichtsordnung und habender bürgerlichen freiheiten gemeß mit mir handlen und verfahren, krafft welcher kein Burger zu Bon ohne Scheffen urtheilt verdambt werden mag, wil geschweigen wie unerhört und hochsträfflich es im heiligen Römischen Reich seie, daß man mich

sine ulla causae cognitione absque praecedentibus legitimis probationibus, quae in huiusmodi causis criminalibus, ubi de vita hominis agitur, luce meridiana clariores esse debent

{insonderheit da ich albereit von den Churf. Herrn Rähtten rechtmeßig loß erkant} aller volcker rechten ja gemeiner vernunfft zuwider, nit allein zu verdammen, sonder auch mein und meiner lieben Hausfrawen gutter allesampt zu confiscieren understanden.

10. Daß zum funfften mir zugemeßen wirdt, ich habe Truchseßen Parthei gehalten und sonst andere unthatten begangen, seind solche handgreiffliche und erdichte calumnien, daß sie keiner verantwortung oder ablehnung bedurfftig referire und ziehe mich zu vielwolgemelter Herrn rähtte {so neben scharpffer gethaner underfragung, vieler eingenommener kundschafft auch alle hinder mir liegende schriften, <262> brieff, rechnungsbücher und register auff die Cantzlei13 brengen laßen und selbst fleisig durchsehen, aber nichts verdächtiges oder straffwurdiges darin gefunden} Protocollen und relationibus huius causae gewesenen notarii Hulßmans gegebener attestation und sonst aller auffrichtiger leutt, damit ich jemalln umbgangen, zeugnus.

Derwegen ich dan gegen angedeutt widerrechtlich barbarisch und tyrannisch urtheill öffentlich protestirt habe, daran doch gemelter Profoß Michaelis sich wienig seinem brauch und art nach gekeret, sondern mit folgenden formalibus geantwortt:

Ja wel Derick, Hantzeler den Bloetrahtt heefft dat Bonnes met eegener handt underteeckent, ick doen darop executie, seide ghy onschuldig, deste ehe kompt de Seell by Gott, wilde ghy bichten, dat mögt ghy doen.

Letzlich wan gleich widermich gefeltes bluttdurstige urtheill {darob sich billig alle erbare Biderleutt entsetzen mögen} an ihme selbst kreftig gewesen were, wie nit so haben doch I. Churf. G. solches nachgehendts cassirt und aufgehoben und nachdem ich nun meiner schweren gefengnus erlediget, daß ich mich eines jahrs frist an unparteischen örttern verhalten solle, mir allein zur straff aufferlegt, lautt derselben besigelten recesses.

Und obwoll I. Churf. G. folgends nach meinem abzug mein und meiner hausfrawen gereide gutter durch Petrum Hulsmann notarium jetzigen burgermeister zu Bon inventrisiren und verzeichnen laßen, so haben doch dieselbe durch gedachten Profoß Michaelis zu vielmalln gnedigst versprechen laßen, daß durchauß nichts von unsern gereiden guttern entfrembdt oder vereußert werden, sondern uns zum Besten alle beisamen in gutter Verwahrsam verpleiben und wir nach verlauff bestimpter jahrsfrist zu denselben unsers gefallens widerumb gelangen solten.

11. Aber alß ich sampt meiner Lieben Hausfrawen angeregtem receß underthenigs zu gehorsamen und zu gelieben von Bon hiehin auff Cölln gezogen, hab ich kurtz hernach erfahren, waß maßen vorigem besiegelten recess und meiner bewiesener unschuldt unerwogen sonder hindan gesetzt I. Churf. G. wider alle hoffnung gerurtte unsere samptliche haab und gutter liegendt und rörendt nichts außgescheiden alß caducirt und verwirckt Carll Biliche seiner vielfeltigen derselben und dem Ertzstifft erzeigten trewen diensten {welche ich an ihrem ortt stelle} halb gnedigst und freiwillig geschenckt und übergeben, damitt seines gefallens zu schaffen, zu thun und zu laßen gleich anderen seinen eigentumblichen guttern.

Darauff dan offgemelter General Michaelis in namen gedachtes Billaei sich vollendts unser gutter underzogen, dieselbe in der Pfarkirchen öffentlich außruffen laßen und folgendts beseßen, genoßen, vereußert und verbracht allerdings ob solche ihme zugehört und ich sampt meiner hausfrawen und kindern dern rechtmeßig und gentzlich entsetzt und verlustig worden weren.

Und wiewoll meine liebe hausfraw selig hingegen offtmalig supplicirt und underthenigst und diemutigst gebetten in unser offenbarer unschuldt obgemelt receß zuwider dergestalt nit zu procedirn mit dem zusatz, wan gleich {wie in ewigkeit nit kan erwiesen werden} ich vor meine Person etwas verschuldet, daß dannoch ihre gutter dadurch nit verwirckt noch confiscirt werden köndten.

Obwoll ich gleichfalls auß gemeltes Caroli Bilaei {der sich annam, daß er <263> meine gutter nit begerte, sonder angedeutter donation viellieber entschlagen were) selbst gegebenem und vorgeschlagenem raht, underschiedliche fürstliche intercession schreiben alß nemblich bei weilandt christseliger gedechtnus Herrn Wilhelm dem Elttern, Johan Wilhelm dem Jungern Hertzogen zu Gulich, Cleve und Berg etc. dero zeit administratorn des stiffts Munster und dem abgestandenem Herrn Salentino geworben und meinem gnedigsten Churfürsten und Herrn übergeben laßen, darin vorbittlich begeret, wie auch von mir vielseitig gebetten worden, daß I. Churf. G. mir gnedigst gnad erzeigen und mir meiner gutter restitution forderlich widerfahren laßen oder zum wienigsten unparteiische Commissarien, vor welchen ich meine unschuldt der gepur außfuhren köndte, zu verordnen geruhen wollen.

So hatt doch solches nit allein keine frucht schaffen mögen, sondern vielmehr haben I. Churf. G. den zwischen offtgemeltem Hieronymo Michaëlis und Carolo Bilaeo über meine gutter auffgerichten simulirten und vermeinten contract transport, cession und übertrag ratificirt, approbirt und bekrefftigt, auch auß Luttighöven [?] dato den 4. 8bris Anno x86 allen und jeden ihren ambt und befelchsleutten, vogten, schultheißen, Scheffen darunder meine gutter zumahl oder zum theill gelegen, befohlen, ihnen Hieronymum zu mir zustendigen guttern ohne verzug, uffenthalt oder hindernus komen zu laßen, darin zu immittirn zu setzen, daran zu erben und mich zu enterben alles fernern Inhalts I. Churf. G. befelchs wie beileigent mit C.14 zu ersehen.

12. Daß ichs also endlich darvor gehalten, entweder I. Churf. G. solcher hoch gemelter Fürsten und Herrn Vorschreiben ganz und zumahl vorenthalten worden, oder dieselbe durch gifftiger feindseliger böser leutt einseitig und falsch antragen wider ihre sonst angeborne fürstliche Clementiam, mildt und guttigkeit gegen mich dermaßen zu höchsten Ungnaden bewegt worden, daß keine vorbitt, flehen, noch bitten statt finden mögen, Ohnangesehen meiner notori und landkundiger unschuldt, die auch meine höchste feind selbst wider ihren willen bekennen mußen. In maßen hernach zu Cölln justificirter Hieronymus Michaelis vor seinem todt dem Herrn Priorn des Augustinerklosters in Cölln seinem Beichtsvatter nach gethaner beicht auff mein begeren und fragen freiwilliglich bekant hatt, daß nit einige Mißethat, die ich begangen hette, sonder meine gutter die ursach meiner verdammung gewesen.

13. Und obwoll folgendt jahr 87 der Obrister Martin Schenck nach einnemung der Statt Bon mir durch den Commissarium Görgen Krinck anbieten laßen, im fall mich zu Bon wider einstellen wurde, daß er mir zu meinen guttern und allem erlittenen schaden volkomlich verhelfen wollte, mit vermeldung, er hatte durch gefenglichc anhaltung Billaei und Michaëlis hausfrawen darzu gutte mittel und gelegenheit. So hab ich gleichwol solches underschiedlich beschehen anbietten nit annemen, noch mich I. Churf. G. feind keineswegs theilhaftig machen wollen, sondern geantwortt, woltte meine sachc Gott und der Zeit befehlen, were nit gemeint obbenente beide Frawen, sonderlich dweill Billaei hausfraw grob schwanger gangen, über ihre gefengnus weiter zu beschweren, dahingegen gedachter Hieronymus Michaëlis zuvor dergleichen meiner lieben hausfrawen seliger gelegenheitt und zustandt nit angesehen, sonder ohne einige barmhertzigkeit dermaßen betrübet, daß <264> sie vor leid und unmutt gestorben und die bei ihr lebendig tragende frucht im Mutterleib erstickt.

Bin also gantz und gar, wie ich solches mit glaubhaftigen documenten bescheinen kan, von und auß der statt Bon plieben. Darzu neben vorerzelten Ursachen mich meine landkundige unschuldt und daß I. Churf. G. hochweise Herrn rähtte mich jede zeit großgunstiglich vertröstet, meine sach in gepurliche consultation zu ziehen und förderlich zu erledigen bewegt.

Wie ich dan auch nachdem I. Churf. G. die Statt wider erobert, ich zu mein und meiner kinder Erbguttern widergelassen worden, welche ich, dweil sie wüst und ungebawt gelegen, dein Herrn Zölner zu Bon, Wendelen Reusch, und seinem schwager Wynanden Zoldiener etliche jahr ohne einige compens außgethan, allein daß sie wider etwas in baw möchten gebracht werden.

Inmittels haben die spanische darin gelegte Soldaten meine behausung zum Gruenenwaldt gantz herundergerißen und verwustet dergestalt, daß solche mit 4,000 goltgulden in vorigen standt nit wider uffzurichten.

14. Ob nun woll abermals mehr andere in erlangter possession mich ferner zu perturbiren und zu betrüben understanden, sein dieselbe gleichwoll durch dero Churf. G. hochweise Herrn Rähtte {welchen meine unschuldt bewust} ernstliche befelch davon abgehaltten und ich dabei in das 8. jahr geruwiglich gelaßen worden, biß allererst in newlichkeit einer Gilbert Helmich genant, burger und faßbender zu Bon, sich herfur gethan und underm schein oberzelter vermeinter confiscation und Churfurstlicher zulaßung meine gutter angrieffen mit dem vorwenden, I. Churf. G. were ihme 540 thaIler, so Billaeus und andere bei ihm verzehrt, schuldig, wolte derwegen meine gutter seines gefallens verkaufen und vereusern, biß zu seiner bezalung auch daran sich gerichtlich erbfest machen laßen.

Wan aber besagter Helmich von jederman zu Bon vor einen unruwigen, verruchten man gehalten wirdt, der auch nichts zu verlieren hatt und nur damit umbgehet, wie er sich unrecht fertig mitt frembder und ander leutt gutter bereichen, folgents etwan außtretten und sich davon machen möge, so erfordert meine hohe notturft auff mittell und wege zu gedencken, welcher maßen jäh biß anhero wider mich geübten Proceß, der allen natürlicher und Volcker rechten, Reichs Constitutionen, Ordnungen und abschieden zuwider und also im H. Römischen Reich teutscher Nation niemals üblich noch gcbreuchlich gewesen, begegnen, zu mein und meiner Kinder guttern wider gelangen und meines großen unbilligen und unverschuldten erlittenen schadens völlige Erstattung und ergetzung gehaben möge.

15. Demnach ist an E. G. mein underthenige demütige Pitt, dieselbe wollen auß christlichem gnedigem mitleiden in dieser meiner offenbarer unschuldt bei dem Hochwürdigsten, Durchleuchtigsten und Hochgebornen Fürsten und Herrn Ertzbischoven und Churfürsten zu Cölln etc. meinem gnedigsten Herrn vor mich gnediglich intercedirn und I. Churf. G. durch vorbittlich schreiben, mundliches vortragen oder in andere wege meiner sachen gründliche beschaffenheit und gelegenheit zu erkennen geben, auch bei derselben die gnädige beforderung thun, daß ich und meine Kinder zu wurcklicher possession unser gutter vor allen Dingen wider gelaßen, dabei geruwiglich erhalten, gehandhabtt und wider jedermenniglichs <265> ansprengen geschutzt, geschirmpt und zugleich meines mercklich erlittenen schadens vollkommene ergentzung überkommen möge.

Hieran erweisen und verrichten E. G. ein hochlöblich christlich werck, welche zu Gottes ehren beforderung der heilsamen justitien wie nit wieniger zu beschutzung unser armer hochbetrubter Leutt ungezweiffelt gereichet und umb E. G. und alle die Ihrige wie die tag unsers lebens eußersten vermögens in underthenigkeit zu verdienen schuldig, willig und geflißen sein.

E. G. {die Gott der Almechtige in frischer gesundheit, glücklicher Regierung, zeitlich und ewiger wolfahrtt lang gefristen wolle} mich zu gnaden undertheniges fleißes befehlendt

E. G. gantz undertheniger

Dietrich Holtz Burger zu Cölln.

 

Literaturverzeichnis

Flörken, N. (Hrsg.). (2014). Der Truchsessische Krieg in Bonn und Umgebung. Ein Lesebuch. Abgerufen am 08. Juli 2015 von http://www.ub.uni-koeln.de/bibliothek/pub/eschriftenreihe/: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/5600

Pick, R. (1873). Miscellen. AHVN, 25, S. 256 ff.

Schenck, M. (1588). Defensio an die Churfürsten des h. Roe. Reichs am Reichstag zu Speyer ... Erfurt: Beck.

Anmerkungen

1 (Pick, 1873, S. 257 ff), zitiert auch von (Niessen, 1956, S. 253). – Kapitelzählung modern.

2 Ein Protestant, Anhänger des Truchsess.

3  Ein Haus an der Strasse „Am Belderberg“.            

4 Zu dem Truchsessischen oder Kölnischen Krieg 1582 ff siehe (Flörken, 2014).

5 Idstein war mit Unterbrechungen Residenz der Grafen von Nassau-Idstein und anderer nassauischer Linien.

6 Johann VI. von Nassau-Dillenburg, genannt der Ältere, (* 22. November 1536 in Dillenburg; † 18. Oktober 1606] ebenda) war Statthalter von Gelderland von 1578 bis 1581. Er war der Sohn des Grafen Wilhelm des Reichen von Nassau-Dillenburg und von dessen Ehefrau Juliana von Stolberg. Er regierte ab 1559 die nassau-dillenburgischen Stammlande.

7 Der Vorstoß blieb erfolglos: (Niessen, 1956, S. 253).

8 deutsch: Dr. Karl Billehe, flämisch Charles de Billehé/Billée, kurfürstlicher Statthalter in Bonn, siehe (Niessen, 1956, S. 257).

9 Michaelis war nach der Eroberung Bonns 1584 Profoß/Profos - sovielwie Militärpolizei; er ließ u.a. die beiden protestantischen Bonner Prediger im Rhein ertränken und andere Bonner Bürger auf dem Marktplatz hängen. Er war rücksichtslos und grausam (a.a.O., S. 252). Vom Kölner Stadtgericht wurde er 1587 wegen seiner Übergriffe gegen Kölner Bürger zum Tode verurteilt und hingerichtet – siehe Figure 1.

10 Carl von Truchseß, der Bruder des Kurfürsten und späteren Komandanten von Bonn.

11 Auch: Wilhelm von Honselaer, genannt „Blutrat“.

12 Hier nicht abgedruckt.

13 Die „Kanzlei“ war der kurfürstliche Hof und befand sich an der Stelle des späteren Residenzschlosses, heute Universität.

14 Hier nicht abgedruckt.