Am 21. 6.1923, gegen 8.15 Uhr, traf eine belgische Patrouille in Sickingmühle auf der Chaussee Hamm-Bossendorf an der Wegkreuzung der Straße, die von Hüls nach der Lippe führt, an dem Kilometerstein 22,3, etwa 120 Meter von der Wirtschaft Johann Baumeister entfernt, mit zwei Zivilpersonen zusammen, die nach Waffen untersucht wurden.
Die eine Zivilperson, die eine Waffe bei sich führte, zog diese Waffe, schoß zwei der Soldaten nieder und verwundete einen dritten schwer. Der vierte Soldat flüchtete in den Wald.
Hierauf ergriffen die beiden Zivilpersonen die Flucht in Richtung Lippe.
Der noch übriggebliebene Soldat schoß mit dem Gewehr hinter ihnen her. Die Zivilpersonen durchschwommen die Lippe, ließen aber ihre Kleidungsstücke sowie eine Pistole und Ausweise diesseits am Ufer liegen. Belgische Soldaten, die die Kleidungsstücke nach etwa einer Stunde fanden, nahmen diese mit.
Noch am selben Nachmittag wurden von deutschen Kriminalpolizei die Täter von einem belgischen Gerichtsoffizier benannt. Im Auftrage der Polizeibehörde nahmen Kriminalassistent Elfering, Kriminalassistent Zimmermann und Kriminalbetriebsassistent Frey von Buer die Verfolgung der Täter auf.
Am 22. 6.1923 begaben sich die Kriminalbeamten gemeinschaftlich nach Lippramsdorf. Dort stellten sie fest, daß nur einer der Täter durch die Lippe gekommen war. Ein gewisser Ludwig Knickmann, der angeschossen war, ist in der Lippe ertrunken. Weiter stellten sie fest, daß der andere Täter, Karl Jackstien, nach Dülmen geflüchtet sei.
[Jackstien wird ein Tag später festgenommen; er berichtet über das Zusammentreffen mit den Belgiern:]
Nachdem diese die Pässe kontrolliert hatten, wollte der Korporal eine Durchsuchung der Taschen vornehmen und faßte sofort auf die Tasche, worin Knickmann die Pistole trug. Dieser habe in der Angst, er würde mißhandelt und bestraft, die Pistole gezogen und drei der Soldaten niedergeschossen. Der vierte flüchtete in den nahen Wald, wo er das Feuer erwiderte. Knickmann wurde auf der Flucht in die Schulter getroffen, so daß er von Jackstien gestützt werden mußte.
An der Lippe, ganz in der Nähe des Hauses Ostendorf in Lippramsdorf, entkleideten sich beide und ließen sämtliche Sachen, Kleidungsstücke, Pässe und eine Pistole zurück. Dann versuchte Jackstien den Knickmann, der nicht mehr schwimmen konnte, mittels eine Hosenträgers, den er ihm um die Schulter gebunden hatte, durch die Lippe zu ziehen. Nachdem er etwa drei Viertel des Flusses durchschwommen hatte, löste sich das Band, und Knickmann, der sehr geschwächt war, ertrank. Jackstien war nicht in der Lage, ihm zu helfen, da er selbst durch die übermäßige Anstrengung erschöpft war. [...]
[1] aus: A.Winter, Der Ruhrkampf im Amtsbezirk Marl, in: Vestischer Kalender 1987, 58. Jahrgang, S.76 ff; den Hinweis auf den Vorgang verdanke ich Herrn Bernd Münker, Troisdorf.