1935 Jul 12 Volksgerichtshof, Urteil gegen Peter Ka./ Margarete Ke. [1]

 Im Namen des Deutschen Volkes

Abschrift

15 J 753/33.

1 H 23/35.

In der Strafsache gegen

1.) die Arbeiterin Margarete Ke[...] [2] aus Troisdorf, Siegkreis, Leostrasse 6, geboren am 8.Mai 1904 in Troisdorf, ledig, unbestraft,

2.) den Arbeiter Peter Ka[...] aus Oberlar, Siegkreis, Paul-Müller Strasse 8, geboren am 12.März 1907 in Trier, verheiratet, unbestraft,

beide zur Zeit in Berlin in Haft,

 wegen Vorbereitung zum Hochverrat,

hat der Volksgerichtshof, 1.Senat, in der öffentlichen Sitzung vom 12.Juli 1935, an welcher teilgenommen haben

 als Richter:

Landgerichtsdirektor Lämmle als Vorsitzender,

Landgerichtsdirektor Dr. Löhmann,

Gruppenführer Hess,

Oberstleutnant a[usser] D[iensten] u[nd] SS.-Sturmbannführer von Laffert,

Dr. jur.Taubert,

 als Beamter der Reichsanwaltschaft:

Staatsanwaltschaftsrat Peich,

 als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle:

Justizbüroassistent Strehler,

nach mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Die Angeklagten Margarete Ke[...] und Peter Ka[...] werden wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu je - 2 - zwei - Jahren - 6 - sechs - Monaten Zuchthaus und in die Kosten des Verfahrens verurteilt.

Beiden Angeklagten werden die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von je - 5 -fünf - Jahren abgesprochen.

Die erlittene Untersuchungshaft wird den Angeklagten in Höhe von je - 1 - einem - Jahr - 6 - sechs - Monaten auf die erkannte Strafe angerechnet.

Das beschlagnahmte Flugzettelwurfgerät wird eingezogen.

 Von Rechts wegen.

[3] Herrn Oberreichsanwalt Dr. Werner

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  G r ü n d e .

 [I.] [4]

Die KPD. hat bereits vor der nationalen Erhebung [5] das Ziel verfolgt, Regierung und die Verfassung des Deutschen Reichs gewaltsam zu stürzen und eine Arbeiter- und Bauernregierung nach russischem Muster aufzurichten. Sie hat dieses Ziel auch nach der nationalen Erhebung und nach der Zerschlagung ihrer Organisationen durch die Massnahmen der nationalen Regierung niemals aufgegeben und hat alsbald begonnen, ihre Anhänger wiederzusammeln[!], um im geheimen ihre Bestrebungen gegen Regierung und Verfassung weiterzuverfolgen[!]. Es ist in zahlreichen Entscheidungen des Reichsgerichts und des Volksgerichtshofs immer wieder festgestellt [worden] und wird auch in diesem Falle vom Senat festgestellt, dass diese Bestrebungen hoch

verräterischer Natur sind.

 II.

 Den Angeklagten wird zur Last gelegt, sich in den Dienst dieser Bestrebungen der KPD. gestellt zu haben. Es ist gegen sie Anklage erhoben worden,

I. fortgesetzt und zum Teil gemeinschaftlich handelnd zu Troisdorf und an anderen Orten des Inlandes im Jahre 1933

a)        das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Reiches mit Gewalt zu ändern, und zwar indem die Tat darauf gerichtet war, zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhalt herzustellen oder aufrechtzuerhalten, und indem die Tat auf Beeinflussung der Massen durch Herstellung und Verbreitung von Schriften gerichtet war, vorbereitet zu haben[,]

b)        durch dieselbe Handlung es unternommen zu haben, den organisatorischen Zusammenhalt einer anderen Partei als der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei aufrechtzuerhalten;

II. Der Angeklagte Peter Ka[...] ferner durch dieselbe fortgesetzte Handlung wie zu I. von 1931 bis 1933 zu Oberlar oder an

[folgt Seite 3]

anderen Orten des Inlandes Sprengstoffe - Dynamitpatronen - in der Absicht, durch Anwendung derselben Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines anderen entweder selbst herbeizuführen oder andere Personen zur Begehung dieses Verbrechens in den Stand zu setzen, in seinem Besitz gehabt zu haben -

Verbrechen gegen §§ 81 Ziffer 2, 86 StGB. a[lte] F[assung], in Verbindung mit §§ 80 Abs[atz] 2, 83 Abs.2 und Abs.3 Ziffer 1 und 3 StGB.n.F., § 1 des VII. Teiles der 3.Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6.Oktober 1931 (RGBl.I S.537, 566), §§ 7, 11 des Gesetzes gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Spreng

stoffen vom 9.Juni 1884, §§ 1 und 2 des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien vom 14.Juli 1933 (RGBl.I S.479), §§ 2 Abs.2, 47, 73 StGB.

 III.

a) Bezüglich der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten führte die Hauptverhand

lung zu folgenden Feststellungen:

1. Ke [...]

Die Angeklagte [Margarete] Ke[...] ist vorübergehend als Lehrmädchen, dann im Haushalt tätig gewesen und hat während der letzten Jahre in der Porzellan

abteilung der Dynamit A.G. in Troisdorf Polierarbeiten verrichtet. In den Jahren 1929 und 1930 war sie etwa 1 1/2 Jahre lang eingeschriebenes Mitglied der KPD., bis Ende 1931 auch Mitglied und Kassiererin der "Roten Hilfe".

2. Ka [...]

Der Angeklagte [Peter] Ka[...] hat von April 1932 bis Februar 1933 der KPD. angehört, vorübergehend auch dem Kampfbund gegen den Faschismus. Durch besondere kommunistische Betätigung ist er früher nicht hervorgetreten.

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b) In der Sache selbst war auf Grund der Hauptverhandlung Folgendes festzustellen:

Im Mai 1933 suchte die Angeklagte Ke[...] den Angeklagten Ka[...] in seiner Wohnung auf und setzte ihm auseinander, es sei erforderlich, dass die alten Kommunisten in Troisdorf die Arbeit für die KPD. wiederaufnähmen und die Organisation der Partei wiederaufbauten. Sie entwickelte in erster Linie den Plan, die Werbung für die KPD., abgesehen von der Werbung von Mund zu Mund, insbesondere durch Flugblätter zu betreiben, die in Troisdorf hergestellt und vervielfältigt werden sollten. Sie erbot sich, den Text dieser Flugschriften selbst zu entwerfen.

Der Angeklagte Ka[...] ging auf die Anregungen ein und versprach seine Mitarbeit.

Die Angeklagte Ke[...] setzte sich darauf mit einem gewissen Kr[...] in Köln a[m] Rh[ein] in Verbindung, den sie dort aufsuchte, und mit dem sie sich über den Wiederaufbau der KPD. und die Herstellung von Flugblättern in Troisdorf besprach. Mit diesem Kr[...] blieb sie weiter in Verbindung. Einmal sandte sie den Angeklagten Ka[...] zu ihm mit einem Schreiben, das zu Tarnungszwecken allerdings nur von Versicherungsdingen sprach. Ka[...] hat Kr[...] auch angetroffen, mit ihm den Wiederaufbau ebenfalls besprochen und von ihm die Zusicherung erhalten, er werde eine Schreibmaschine und einen Vervielfältigungsapparat zur Anfertigung von Flugblättern nach Troisdorf senden. Eingehalten worden ist diese Zusicherung nicht.

Die Angeklagten haben sich dann in Troisdorf des öfteren untereinander über die Pläne des Wiederaufbaus der KPD. besprochen, haben auch andere Personen, so die Zeugen We[...] und

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St[...] [6] , für ihre Pläne zu interessieren versucht. Beide Angeklagten waren sich einig, dass in erster Linie Flugblätter anzufertigen und zu verteilen seien, ohne dass es jedoch hierzu gekommen ist [!]. Ka[...] fertigte einen Schleuderapparat an, mit welchem Flugblätter fortgeschleudert werden sollten, um eine gefahrlose Verteilung zu gewährleisten. Die erforderlichen Gummistränge besorgte die Angeklagte Ke[...].

Im Juli 1933 wurde dann eine Zusammenkunft mit Kr[...] in Troisdorf verabredet. Zu dieser Zusammenkunft, die in der "Eremitage" [7] bei Troisdorf stattfand, wurden auch die oben erwähnten Zeugen We[...] und St[...] hinzugezogen. Kr[...] ist nicht erschienen. Die Angeklagten und die Zeugen We[...] und St[...] haben sich aber bei der "Eremitage" getroffen. Dort ist wiederum über den Wiederaufbau der KPD der KPD. und die Wege, welche einzuschlagen seien, gesprochen, insbesondere ist auch wiederum die Anfertigung und Verbreitung von Flugblättern als wirksamstes Propagandamittel erörtert worden. Die Wortführerin war die Angeklagte Ke[...], die daraufhinwies, es müsse mehr für die KPD. gearbeitet werden. Praktische Ergebnisse hat diese Zusammenkunft nicht [!] gehabt. Die Angeklagten blieben weiter in Verbindung. Noch im September 1933 gab die Angeklagte Ke[...] dem Ka[...] ein Stück der kommunistischen Schrift "Der Propagandist".

Zwischen den beiden Angeklagten haben auch Unterhaltungen über Sprengstoff und seine Anwendung bei Revolutionen

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stattgefunden. [Peter] Ka[...] war seit 1931 im Besitz von zwei Rollen Sprengsalpeter, von denen der Zeuge We[...] noch einen Teil eines Exemplars bei Ka[...] gesehen hat.

Am 20.September 1933 sind beide Angeklagten verhaftet worden, ohne dass sie zu einer praktischen Durchführung ihrer Pläne gekommen waren.

Beide Angeklagten gaben die Richtigkeit dieser Feststellung zu.

 IV.

Auf Grund dieses Ergebnisses der Hauptverhandlung war festzustellen, dass beide Angeklagten es unternommen haben, nach der nationalen Erhebung die Organisation der KPD. in Troisdorf wiederaufzubauen. Es ist nicht etwa, wie die Angeklagte Ke[...] es darzustellen versucht, nur bei unverbindlichen und theoretischen Unterhaltungen zwischen ihr und Ka[...] über die Möglichkeit des Wiederaufbaus geblieben, sondern es sind von beiden Angeklagten auch Schritte zur Verwirklichung ihrer Pläne unternom

men worden. Die wiederholten Besprechungen beider über den Wiederaufbau, die Aufnahme und Pflege der Verbindung mit Kr[...], die versuchte Werbung von We[...], St[...] und anderen Personen, die Zusammenkunft bei der "Eremitage", die Anfertigung des Schleuderapparates durch Ka[...], sind Vorbereitungshandlungen, die auf das Ziel des Wiederaufbaus der KPD. gerichtet waren. All diese Massnahmen waren bestimmt und geeignet, die in Abschnitt I gekennzeichneten Aufstandsziele dieser Partei zu fördern. Dessen waren sich auch beide Angeklagte bewusst.

[folgt Seite 7]

Beide Angeklagten sind früher Mitglieder der KPD., die Angeklagte Ke[...] auch der "Roten Hilfe", Ka[...] auch des "Kampfbundes gegen den Faschismus" gewesen. Die Angeklagte Ke[...] hat ferner zugegeben, sie habe sich auch nach der nationalen Erhebung politisch nicht umstellen können. Durch ihre Wiederaufbautätigkeit wollte sie die ihr auf Grund ihrer Parteizugehörigkeit und ihres langjährigen Umgangs mit Kommunisten bekannten Umsturzziele der K.P.D. fördern.

Sie hat sich daher eines Verbrechens der Vorbereitung zum Hochverrat schuldig gemacht.

Diese Feststellung ist auch gegenüber dem Angeklagten [Peter] Ka[...] zu treffen. Als Mitglied der KPD. und des "Kampfbundes gegen den Faschismus" kannte er erfahrungsgemäss die Ziele der KPD. und den Willen dieser Partei, diese Ziele gewaltsam durchzusetzen. Die Bereitwilligkeit, mit welcher er auf die Wiederaufbaupläne der Ke[...] einging und für sie tätig wurde, beweist, dass es ihm durchaus ernst um den Wiederaufbau der KPD. war, und er auch nach der nationalen Erhebung bereit war, sich für die hochverräterischen Ziele der KPD. einzusetzen.

Dass die Angeklagten sich der Strafbarkeit ihres Tuns bewusst waren, geht aus der Heimlichkeit, mit der sie alles betrieben, klar hervor.

 V.

Bezüglich der Strafzumessung ist darauf zu verweisen, dass die strafbare Tätigkeit der Angeklagten bis September 1933 gedauert hat, also noch die alten Strafbestimmungen betreffend Vorbereitung zum Hochverrat (§ 86 StGB. a.F.) zur Anwendung zu bringen sind, die eine Höchststrafe von drei Jahren Zuchthaus androhen.

[folgt Seite 8]

Beide Angeklagten haben noch eine erhebliche Zeit nach der nationalen Erhebung sich für die regierungs- und staatsfeindlichen Bestrebungen der KPD. eingesetzt und zu diesen Bestrebungen bekannt. Sie stellten sich dadurch ausserhalb der angestrebten und vom deutschen Volke freudig begrüssten Volksgemeinschaft und in die Reihen einer "illegalen" [8] Partei, deren einziges Bestreben war und ist, diese deutsche Volksgemeinschaft und die Ruhe und den Frieden im deutschen Volke zu zerstören, um volks-, rasse- und staatsfremde Anschauungen und Bestreben dem deutschen Volke aufzuzwingen, die dem deutschen Volke nur zum Verderben gereichen können.

[Es folgen einige Sätze zur Strafzumessung].

Die von den Angeklagten getätigten Bestrebungen für eine in jeder Beziehung für die Volksgemeinschaft verderbliche Partei wie die KPD. sind auf eine Gesinnung zurückzuführen, die als ehrlos zu bezeichnen ist. Der Senat hat daher bei beiden Angeklagten die bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von je fünf Jahren abgesprochen.

 VI.

[Es folgt die Erörterung des Anklagepunktes Sprengstoff bei Peter Ka. Das Gericht stellt schliesslich fest: (Seite 11)]

Es konnte somit eine Bestrafung aus dem genannten Gesetz nicht erfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.

Die Anrechnung der Untersuchungshaft beruht auf § 60 StGB., die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf § 32 StGB., die Einziehung auf § 86 a StGB.

gez. Lämmle Dr. Löhmann

Hess v[on] Laffert Dr. Taubert.




[1] Fundort: Zentrales Staatsarchiv (ZSA) der ehemaligen DDR, Potsdam, Bestand Oberreichsanwalt/Volksgerichtshof, Kopie dank freundlicher Vermittlung des VVN-Präsidiums, Herrn Luitwin Bies.

[2] Alle Nachnamen sind im Original gesperrt geschrieben; wegen der Anonymisierung wird hier die Sperrung nicht beibehalten.

[3] Titel und Name handschr. eingetragen.

[4] vom Hrg. ergänzt.

[5] gemeint ist damit die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30.Januar 1933, die sog. "Machtergreifung", und die unmittelbar darauf folgenden Massnahmen.

[6] einer der Schutzhäftlinge, mit Ka[...] im SA-Heim; s. Vf, S. 215.

[7] ein Waldstück, benannt nach einer längst aufgegebenen Einsiedelei des 18. Jahrhunderts.

[8] Anführungszeichen im Original; ihr Sinn wird nicht recht deutlich.