1941 Aug 14 Heil- und Pflegeanstalt Bernburg an "Leo" [1]

Heil- und PflegeanstaltBernburg, den 14.August 1941
B e r n b u r g Postschliessfach 266
Sprechstunde nur nach vorgehender Vereinbarung Gesch[äfts]-Z[eichen]: Be. 24/342 Lö.[4]

 (Bitte stets angeben)

 Herrn

 [...]

 B[...]

 Sehr geehrter Herr [...]!

[Wir bedauern, Ihnen mitteilen] [2] zu müssen, dass Ihre Gattin, Frau [...] am heutigen Tage unerwartet infolge Angina mit darauffolgender Sepsis verstorben ist. Eine Benachrichtigung über die Erkrankung unterblieb in der Absicht, Sie nicht unnötigerweise zu beunruhigen, da der Krankheitsverlauf zunächst ein ganz normaler war und nach ärztlichem Ermessen zu irgendwelchen Befürchtungen ein Anlass nicht bestand. Der nicht vorauszusehende Eintritt einer Sepsis hat leider unsere Annahme nicht bestätigt.

Die Verlegung in unsere Anstalt erfolgte vor kurzem aus Gründen, die mit der Reichsverteidigung im Zusammenhang stehen.

Nachdem unsere Anstalt nur als Durchgangsanstalt für diejenigen Kranken bestimmt ist, die in Kürze in eine andere Anstalt unserer Gegend verlegt werden sollen, dient der Aufenthalt hier lediglich zur Feststellung von Bazillenträgern, die sich erfahrungsgemäss immer wieder unter derartigen Kranken befinden. Die Ortspolizeibehörde Bernburg-Gröna hat, um den Ausbruch und die Verschleppung übertragbarer Krank[heiten zu verhindern im Einvernehmen] mit den beteiligten Stellen weitgehende Schutzmassnahmen angeordnet und gemäss § 22 der Verordnung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten die sofortige Einäscherung der Leiche und Desinfektion des Nachlasses verfügt. Eines Einverständnisses seitens der Angehörigen bedurfte es in diesem Falle nicht.

Der in die Anstalt eingebrachte Nachlass der Verstorbenen wird nach erfolgter Desinfektion hier zurückgelegt, weil er in erster Linie als Pfand für die Kostenträger dient; andernfalls steht er den Erbberechtigten zur Verfügung. Diese haben damit aber auch die Verantwortung gegenüber etwaigen Ansprüchen anderer Erbberechtigter zu übernehmen. Bei dieser Gelegenheit erlauben wir uns, Sie darauf hinzuweisen, dass sich eine Beschädigung des Nachlasses durch die Desinfektion infolge Verwendung nachhaltigster Mittel sehr oft nicht vermeiden lässt und vielfach sowohl Versendung wie Herbeiführung eines Entscheids über Zuweisung des Nachlasses mehr Zeit und Kosten verursacht, als der Nachlass wert ist. Wir schlagen Ihnen daher vor, auf denselben zu verzichten, sodass wir ihn im Falle der Beschädigung der NSV. zur Verwendung über[lassen würden] und im anderen Falle etwaigen bedürftigen Anstaltsinsassen zuweisen können.

Falls Sie die Urne auf einem bestimmten Friedhof beisetzen lassen wollen - die Überführung der Urne erfolgt kostenlos, nicht aber die Beisetzung - bitten wir um Mitteilung und Zusendung einer entsprechenden Einverständniserklärung der betreffenden Friedhofsverwaltung. Sollte uns diese innerhalb von 14 Tagen nicht zugehen, würden wir die anderweitige Beisetzung der Urne veranlassen, wie wir auch annehmen würden, dass Sie auf den Nachlass verzichten, wenn Sie uns innerhalb gleicher Zeit eine Nachricht hierüber nicht zukommen lassen sollten.

Anbei 2 Sterbeurkunden zur gefl[...] Bedienung.

 Heil Hitler!

 [gez.] Molli [3]


[1] Fundstelle: Private Korrespondenz des "Leo", Kopien im Besitz des Hrg.

[2] Im Original beschädigt, hier und an den übrigen Stellen nach vergleichbaren "Trostbriefen" ergänzt.

[3] oder auch "Scholli", die Unterschrift ist mit Sicherheit gefälscht: KLEE, S.152.

[4] Hinter diesem scheinbaren Geschäftszeichen verbirgt sich die laufende Nummer 24.342 in Bernburg, d.h. mit diesem Brief sind in Bernburg 24.342 Morde beurkundet worden. siehe: Hinz-Wessels et al.: Zur bürokratischen Abwicklung eines Massenmords. Die "Euthanasie"-Aktion im Spiegel neuer Dokumente, in: VJhZG, Heft 1/2005, S. 79 ff, besonders S. 92.