[nach 1945: Memoiren des Max Seligmann] [1]

zu Händen des Herrn Thomas

Siegburg, Landratsamt

Betr.: Mein Leben während des Naziregimes

In aller Kürze berichte ich Ihnen heute darüber, wie es mir in der Nazizeit erging.

1936 fing die Verfolgung an. Man entzog mir das Gewerbe. 1938 kam die große Juden-Aktion, es war der 10. Nov[ember]. Ich wurde von der Polizei in Haft genommen und erheblich misshandelt. Danach führte man mich und auch meine Brüder unter schimpflichstem Treiben und unter Beteiligung sämtlicher S.A. und S.S. zur brennenden Synagoge. Schilder bekamen wir an die Brust geheftet mit der Aufschrift Erstes Schwein, zweites Schwein, u.s.w. Mit den Schildern fotografierte man uns. Während meiner Abwesenheit scheute man sich nicht, meine wehrlose Frau in der Wohnung zu belästigen, und den ganzen Hausrat kurz und klein zu schlagen.

Anschließend an die Ausschreitungen wurden ich und meine Brüder und andere Glaubensgenoßen auf einen Lastwagen geladen und der Gestapo in Köln zugeführt; von da gings nach Brun...(?) und von dort nach Dachau. Die Behandlung dort war grauenhaft, man quälte uns wo man konnte. Auf Einzelheiten kann ich nicht eingehen, aber das sage ich Ihnen, sie haben mich in Dachau zu dem gemacht, was ich heute bin, ein kranker Mann.

Als ich von Dachau zurück kam, ging die Hölle erst recht los. Man zwang mich zur Arbeit [2] , was ja nicht das Schlimmste war. Auf dem Wege zur Arbeit überfiel man mich, misshandelte mich, dass ich blutete. Hitlerjugend bewarf mich mit Steinen und beschimpfte mich.

Dann wurden mir meine Kinder nach Polen verschleppt. 3 Söhne, 1 Tochter, 3 Schwiegertöchter und 1 Schwiegersohn sowie 4 Enkel, es ist keiner zurückgekommen von ihnen. Also 12 Kinder elend umgebracht, und alle meine Geschwister. 1944 wurde ich und meine Frau verhaftet und nach Müngersdorf ins Lager gebracht, von da weiter nach Thüringen in Lager.

Meine Frau hat sich auf dem Weg nach Müngersdorf ein schweres Knieleiden zugezogen, was ihr heute viel zu schaffen macht. So hat es mir und keiner Frau gegangen in der Nazizeit. Heute sind wir alt und krank und unsere[r] Kinder beraubt, die uns im Alter unterstützen hätten gekonnt.

Mit aller Hochachtung!

Max Seligmann




[1] Handschriftlich, in: .............

[2] hier der handschr. Eintrag: bitte wenden