Entnazifizierungsausschuss
Troisdorf
Troisdorf, den 22.Juli 1948
An die
Spruchkammer Eschwege
Der öffentliche Kläger,
ESCHWEGE
(Behördenhaus)
Goldbachstr.12a
Betrifft: Verfahren Heinrich Keil, Elektriker, geb. 8.9.1906 in Schlebusch, wohnhaft in Eschwege, Königstr. Ecke Wörthstrasse
Bezug: Schrieben vom 1.7.48, Az. 6716/46 Bo./Bk.
Wie aus den Prozessakten des vorgenannten Sturmführer[s] der SA Troisdorf ersichtlich ist, soll der hiesige Ortsausschuss den Fall Keil auf breiterer Grundlage einer erneuten Prüfung unterziehen.
Wir sahen unsere Aufgabe wie folgt:
Punkt 1
Das Ergebnis der Befragung der uns vom Anwalt des betroffenen angegebenen Personen gibt uns ein eindeutiges Nein zur Antwort. Auch die in Eschwege vernommenen Zeugen haben dieses verneint. (siehe Prozessakten).
Es hat somit als sicher zu gelten, dass Keil in dieser Weise nicht belastet ist.
Punkt 2
In dieser Hinsicht sind die Zeugen stets befragt worden, eine Schuld ist nicht erwiesen, und viele Zeugen (viele sind überhaupt nicht geschlagen worden) erklären, dass dafür wohl die anwesende Kriminal- und Ortspolizei zuständig gewesen sei.
Der Zeuge Bruno Franke jedoch gibt uns in einer Unterredung etwa folgendes an:
Wenn des Abends die SA-Männer aus dem Büro des Keil kamen, begannen die Misshandlungen, die allerdings auch am tage vorkamen; seiner Meinung nach wurde aber nachts mehr geschlagen als am tage. (Am Tage hatte die Polizei die Regie.) Er sieht darin den Beweis, dass Keil die Anweisung gab. (Die Polizei sei nachts nicht anwesend gewesen.)
Vielleicht hierzu noch die Aussage des Zeugen Peter Weiß, der sagt, er hätte im SA-Heim mit dem Gesicht zur Wand stehen müssen; es sei jemand gekommen, da habe er den Kopf dahin gewendet; darauf sei er vom SA-Posten geschlagen worden. Der ankommende stellvertretende Sturmführer Schaly sagte dem Posten: Laß das! (Man beachte den Diensteifer des Postens, Anmerkung des Ausschusses.)
Punkt 3
Hierzu zunächst die Auffassung der Ortsöffentlichkeit; die ist in ihrer Mehrheit der Ansicht, dass Heinrich Keil der Verantwortliche für die Aktion der Verhaftungen und Misshandlungen im Jahre 1933 ist. Diese stützt sich auf die Tatsache, dass K[eil] Sturmführer war und seinen täglichen Aufenthalt im SA-Heim hatte. Von der Anwesenheit der regulären Polizei war vielen Leuten nichts bekannt.
Der Zeuge Jakob Thiesen aus Müllekoven sagte, es ist möglich, dass die Polizei die Verantwortung hatte, besonders der Wachtmeister Walter Müller hätte sich seines Wissens recht schändlich benommen. Er selbst sei indes nicht geschlagen worden. (Dieser Mann wurde Keil gegenübergestellt.) Diese erklärten mir auch im wesentlichen die Zeugen Wilhelm und Anton Knott.
Jedoch der Zeuge Schumacher, Kriegsdorf, ist der Ansicht, dass Keil der Verantwortliche ist, zumindest hätte er Ungehöriges verhindern können. (Auch dieser Mann wurde Keil gegenübergestellt.)
Unser Versuch, Herrn Bruno Franke (der in Eschwege aussagte) Keil gegenüberzustellen, wurde von Ersterem abgelehnt. Franke machte dabei die unter Punkt 2 angeführte Erklärung und betonte, es sei für ihn als sicher zu betrachten, dass Keil, zumindest laufend, über die Aktionen der Misshandlung unterrichtet gewesen sei.
Herr Heinrich Keil erschien vor dem hiesigen Ortsausschuss und sagte unter anderem folgendes aus:
Einige Stunden nach den ersten Verhaftungen im Jahre 1933 traf die Kriminalpolizei aus Köln im SA-Heim in Troisdorf ein. Veranstalter der Verhaftungen war der damalige Bürgermeister und Leiter der örtlichen Polizeibehörde Josef Reinartz.
Die Verantwortung trägt die Polizei. Die Behandlung der Häftlinge war nicht meine Angelegenheit. Die Polizei war nach Angabe des Keil zuständig für
Verhaftung,
Vernehmung,
Verpflegung,
Entlassung.
Auf unsere Frage, wer nun für die Misshandlungen zuständig war, benennt Keil die Polizei und die Hilfspolizei, (letztere waren dazu bestimmte SA-Leute, welche mit dieser Bestimmung von dem SA-Dienst befreit waren.)
Außerdem bemerkte Keil, dass die Hilfspolizei sich aus verschiedenen Stürmen zusammengesetzt habe, er selbst damals über andere Stürme keine Befehlsgewalt hatte und daher die Verantwortung von selbst entfiele.
Wir hoffen, durch unsere erneuten Ermittlungen der dortigen Spruchkammer wesentliche Anhaltspunkte zu einer besseren Beurteilung gegeben zu haben.
Der Vorsitzende:
Die Ausschussmitglieder: