1990 Nov 20 Evdokija M. Romazanova, geborene Golovan, an [...] [1]

an [...]

von Golovan Evdokija Michailovna,

wohnhaft [...]

Verehrte Genossen.

Ich, Golovan Evdokija Michailovna, wurde geboren am 15.April 1923 im Dorf Sytaja Buda des Klimov-sker Rajons des Brijansker Kreises. Am 22.November 1942 wurde ich gewaltsam nach Deutschland verbracht in die Stadt Blomberg [2] / oder Bromberg [3] . Ich befand mich dort im Russenlager und arbeitete in einer Fabrik oder einem Werk, in dem man Pulver herstellte. Danach überführte man mich in die Stadt Troisdorf in ein anderes Lager [4] . Ich arbeitete in einer Fabrik oder einem Werk, in dem man Häutchen [?] oder Umhänge herstellte / genau erinnere ich mich nicht. Ich habe Papier umgemahlen und in Säure bearbeitet. Offenbar war das ein Chemiewerk [5] .

Am 11.April [6] 1945 wurden wir von alliierten Truppen befreit. In die Heimat kehrte ich erst am 1.September 1945 zurück.

Bei der Ankunft zu Hause unterlag ich keinen Repressalien der Behörden. Seit 1956 wohne ich ständig in der S[tadt] Gukovo des Rostov-schen Kr[eises]. Ich lebe allein / mein Mann Romazanov Pavel Josifovi starb im Jahre 1986 /

[Mein] Sohn lebt in der S[tadt] Brest. Ich bitte Sie, an seinen Namen zu schreiben, ich bin ein alter und kranker Mensch, und (aber) er kann für mich alles erklären. Die Adresse des Sohnes:

[...]

Mit Achtung Ihnen gegenüber

[Frau] Romazanova Evdokija Michailovna,

gewesene Golovan Evdokija Michailovna.




[1] übersetzt von Herrn Richard Decker.

[2] Stadt im Kreis Lippe.

[3] polnisch Bydgoszcz, Hauptstadt der gleichnamigen Woiwodschaft im sog. polnischen "Korridor". Bromberg, bis 1919 deutsch, war natürlich nach 1939 von den Deutschen besetzt.

In Bromberg war eine Filiale der DAG-eigenen "Gesellschaft mbH zur Ver

wertung chemischer Erzeugnisse" (Verwertchemie) (nach Bundesarchiv Ko

blenz, Bestand All.Proz, 2, NI 10030).

Ab Juli 1944 - zu diesem Zeitpunkt war Frau Golovan wahrscheinlich schon in Troisdorf - wird in Bromberg eine Aussenstelle des KZ Stutthof mit Arbeiterinnen erwähnt, Arbeitgeber: "Dynamit AG Nobel" (Comité International de la Croix Rouge: Vorläufiges Verzeichnis der KZ und deren Aussenkommandos sowie anderer Haftstätten unter dem RFSS in Deutschland und den deutsch besetzten Gebieten 1933-1945, Arolsen 1969, S.223).

[4] wahrscheinlich in das DAG-Lager Mülheimer Strasse. Frau Golovan erscheint in keiner der erhaltenen Troisdorfer Listen, müsste demnach in den verlorenen Sieglarer Listen geführt worden sein.

[5] gemeint ist die damalige DAG.

[6] Das Datum ist korrekt.